«Mein Geschmack neigt zu Blond, meine Erfahrung spricht dagegen.» So viel erfahren wir von Jakob Fabian, bevor der Film überhaupt seine Augen richtig aufgeschlagen hat. Wenig später ist der junge Mann bereits hoffnungslos verliebt und, man ahnt es, eigentlich längst verloren. Aber auch wenn es oft rasant zugeht in Dominik Grafs Romanadaption über den Moralisten und Grossstadtflaneur, aus dessen Sicht Erich Kästner 1931 den sittlichen und geistigen Verfall der modernen Gesellschaft beschrieb, bleibt Fabian immer wieder auch stehen, nimmt sich Zeit zum Verweilen und zu einem anderen Sehen: Mehrfachbilder, Archivaufnahmen, Stummfilm-, Digital- und Super-8-Optiken greifen ungeniert ineinander, verschmelzen, stossen sich ab. Tom Schilling, der hier durch das verruchte nächtliche Berlin der Weimarer Jahre streift, wirkt wie ein Mensch zwischen gestern, heute und morgen, stets neugierig, aber auch skeptisch, ob diese Welt «Talent zur Anständigkeit» hat.
Bildrausch-Ehrenpreisträger Dominik Graf, der grosse Stilist und Nonkonformist im deutschen Kino, lässt seine Figuren nicht nur mit Kästner sprechen, sondern ganz und gar leben in einem Film, der so stürmisch, so leidenschaftlich, so unberechenbar ist wie die Zeit, in der er spielt.