Vampirfilm? Horrorszenario? Schauermärchen? Besser! Julian Radlmaier sieht nicht komplett rot, sondern nimmt in seinem Film die Marx‘sche Metapher vom Kapitalisten als Blutsauger vielmehr spielerisch ins Visier – und trifft damit direkt ins Schwarze. Einfallsreich, klar gekünstelt und politisch hellwach erzählt er die Geschichte eines aus der Sowjetunion stammenden Schauspielers, der sich als Baron ausgibt und auf diese Weise im Sommer 1928 nach Amerika überzusiedeln versucht. Allerdings trifft er bei einem Zwischenstopp an der Ostsee ausgerechnet auf die reiche, gerne modern denkende Jungkapitalistin Octavia, die den Flüchtling kurzerhand unter ihre Fittiche nimmt und bald auch an seiner Halsschlagader hängt.
Bereits in Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes übte sich der DFFB-Absolvent Radlmaier erfolgreich in humorvoller Schelte am System. Mit Blutsauger ist dem jungen Regisseur erneut ein herrlich verrücktes, kluges, eigenwillig zwischen den Zeiten, Formen und Stühlen changierendes Werk gelungen, in dem Genoss:innen in den Dünen aus «Das Kapital» referieren, Hausdiener heimlich zu Literaten werden und die Oberschicht ihren Durst nach Mehr weiterhin unbefangen an den Untertanen stillt. So viel Spass (zumal im deutschen Film) macht politisches Kino viel zu selten. pj