Suppenausgaben, Barackengespräche, Häftlinge, die stolz vor der Kamera posieren in einem Akt der leisen Rebellion. Weitgehend unbekannt waren bisher die Fotos der Insassen, die in Konzentrations- und Vernichtungslagern ihr Leben riskierten, um ihren Gefangenenalltag für die Nachwelt festzuhalten. Der französische Dokumentarist Christophe Cognet hat sich der heimlich entstandenen Aufnahmen angenommen, rückt sie auf grossen Glasplatten vor Ort ins Tageslicht und beleuchtet ihre Geschichte damit auf durchdringende Weise. In Dachau, Buchenwald, Ravensbrück und Auschwitz-Birkenau begibt er sich gemeinsam mit Historikern auf eine beinahe archäologische Spurensuche, um die Bilder, ihre Fotograf:innen sowie die genauen Umstände zu ergründen, unter denen die Fotos zwischen 1943 und 1944 entstanden. Das Erstaunliche dabei: Der ewige Kontrast zwischen Leben und Tod, Warten und Folter, Ausweglosigkeit und Widerstand.
Christophe Cognet, der sich bereits in Parce que j'étais peintre, l'art rescapé des camps nazis feinfühlig mit den Kunstwerken von KZ-Gefangenen beschäftigte, gelingt mit seinem neuen Film ein seltener Balanceakt: A pas aveugle ist Dokumentation und Meditation, Kunst und Analyse, alles in einem. Ein behutsames Spiel mit der Erinnerung und der geschickte Versuch, Transparenz zu erzeugen – vor und hinter der Kamera.