Hélio Oiticica, einer der bedeutendsten brasilianischen Künstler des 20. Jahrhunderts, ist nicht alt geworden. Gerade mal 42 Jahre, von 1937 bis 1980, waren ihm auf Erden vergönnt; doch mischte er in der vergleichsweise kurzen Zeit mit seinen spielerisch-sinnlich Grenzen aller Art auslotenden Werken den Kunstbetrieb auf. Er kreierte Installationen/Happenings/Praktiken mit so schönen Namen wie Bilaterals, Bólides, Parangolés und Penetrables, und er gilt als Mitbegründer des Tropicalismo.
Cesar Oiticica Filho – 1968 geboren und selbst Künstler, Ausstellungskurator und Filmemacher – legt mit seiner ersten langen Dokumentation ein Porträt seines Onkels vor, oder vielmehr: eine ameisengleich durcheinander wuselnde Sammlung von Zugangswegen zu dessen künstlerischer Praxis und der dieser zugrunde liegenden ästhetischen Theorie. Ohne sich um Erklärung, Verortung oder Orientierung zu scheren, montiert Oiticica Filho Film- und Ton-Archivaufnahmen und lässt die Collage immer mal wieder in rauschhaften Bildergewittern kulminieren, die keinen Autor mehr zu kennen scheinen. Dafür aber eine sinnfällige Analogie herstellen zwischen der die Trennung von Malerei, Skulptur und Performance aufhebenden Kunst des Onkels und dem Versuch des Neffen, die Schwelle zwischen dokumentarischer Wissensvermittlung und experimentellem Ausdruck zu nivellieren.