Viel zu verletzlich und fragil erscheint die junge Frau. Sie ist zu dünn, sie wirkt erschöpft und aus ihren Augen blickt die nackte Panik. Möglicherweise ist sie einfach nur von ihrer Mutterschaft überfordert, möglicherweise aber ist da überhaupt kein Baby – sondern nur eine Angstpsychose. Beziehungsweise eine schwere Störung der Persönlichkeit. Eine Irre. Was ihr früher einmal an Schrecklichem widerfahren sein mag, was sie so (auto-)aggressiv hat werden lassen, man erfährt es nicht in Shinya Tsukamotos Kotoko. Vielmehr führt einen der Film immer tiefer und immer auswegloser hinein ins von Terrorphantasien, Horrorvisionen und Handwackelkamera gewaltsam aufgewühlte, schwer paranoide, lärmende Innere seiner Titelheldin. Sie wird dargestellt von Cocco, einer japanischen Sängerin und Liedermacherin, die auch die Geschichte entwarf, nach der Tsukamoto das Drehbuch schrieb.
Der 1960 in Tokio geborener Regisseur der legendären Tetsuo-Filme, Protagonist des japanischen Cyberpunk-Sub-genres, Meister des Körperhorrors, übernimmt die Rolle des bedauernswerten Schriftstellers Tanaka, der versucht, die Widerspenstige zu zähmen. Kurz hofft man mit ihm und für ihn auf einen guten Ausgang, kurz kommt Kotoko zur Ruhe und Cocco singt auf ergreifende Weise ein bewegendes Lied. Doch dann beginnt es auch schon wieder zu strudeln, der Mahlstrom mahlt, reisst alles mit sich in die Tiefe – und lässt ein blutendes Herz zurück.